Religion und Gesundheit

Prof. Murken über Religiöses Coping

Krankheit wird oft als Strafe gesehen.
Die Religiosität kann eine Ressource für Sinnfindung und Krankheitsbewältigung sein.

Es gibt eine psychologische, kulturelle und soziale Dimension.

In den 1980er Jahren galt die Parole „Religion ist schlecht!“
„Religion ist etwas Krankmachendes“.

Wir fragen uns: „Warum soll es schaden? Warum soll es helfen?“

Heute erleben wir eine fortschreitende Entkirchlichung.
Parallel dazu gibt es einen unglaublichen Optimismus in Bezug auf Religiosität:
Gott heilt mit!

Besonders im englischen Sprachraum wird „faith“ (Gottvertrauen) wieder wichtig.
„Belief“ dagegen bedeutet Ausformung des Glaubens.

Ein treffendes Titelblatt in der Zeitschrift „Der Spiegel“ lautet demgemäß: „Der Glauben der Ungläubigen“.

Es existiert eine Fülle alternativer Glaubensformen.
Das Massenphänomen einer individualisierten Menge ist bezeichnend für die heutige Gesellschaft.
Meine Weltanschauung stelle ich mir am Markt selbst zusammen, was mir paßt.
Es findet eine Intensivierung der Heilungsangebote statt.

Der Begriff „Coping“ (=Bewältigung) ist aus der Streßforschung entstanden.
Streß ist das Ergebnis einer internen Verarbeitung.
Jeder erlebt ein und dasselbe Ereignis anders.
Hilfreich ist das transaktionale Modell von Lazarus.
Anforderungen, die früher gemeinsam bewältigt wurden,
müssen nun individuell gemacht werden.

Resilienz ist die innere Stärke,
d.h. die Fähigkeit, gut mit Belastungen umzugehen.


Religiöses Coping – Kenneth Pargament

Ist Religiosität ein Persönlichkeitsmerkmal oder ist sie erlernbar?
Die Forschung besagt, daß beider zutrifft.
Die Resilienz kann man lernen.
Ann S. Masten empfiehlt die Strategie der persönlichen Selbstoptimierung.
Religion und Spiritualität als Ressource. Gott tut gut!
Die Religion wird instrumentalisiert.
Die Abschaffung der Straandrohung und die Verharmlosung Gottes
führt zu einer Beliebigkeit und zu einer Konkurrenz der Glaubenssysteme.
Wer hat mehr zu bieten?
Religion ordnet sich dem Menschen unter.
Statt Dein Wille Gott geschehe, gilt jetzt mein Wille geschehe!

Das führt zu einer Funktionalisierung der Religion.
Das Individuum soll sich mithilfe religiöser Versatzstücke selbst optimieren.
(Untersuchungen von Martin Riesebrodt).

Merkmale von Religion:
Die Kommunikation mit übermenschlichen Mächten,
mit dem Ziel der Abwehr von Krankheit,
der Bewältigung von Krisen,
der Stiftung von Heil.

Die normativen Satzungen der Theologie kommen über die Psychologie wieder zurück.
Wir leben in einer entsolidarisierten individualisierten Gesellschaft.
Selbstverwirklichung und eine Wunscherfüllungspsychologie stehen hoch im Kurs.
Die Idee dahinter: Wenn wir es nur richtig machen, ist uns nichts unmöglich.

Thesen dafür, daß Religion zur Religiosität wird (faith statt belief):

- Selbstermächtigung des Subjekts: die Aufforderung, das Heil selbst zu erarbeiten

- Fundamentalismus als andere Alternative (die Unterordnung unter ein fixes System)

Die positive Erwartungserhaltung ist entscheidend.
Religion heißt dann nicht mehr erwählt zu sein, sondern selbst zu wählen.
Es wird eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufgestellt.
Aber es ist auch Mühsal, Leid und Verzicht notwendig.

Zeihen heißt anklagen.
Wir sollen uns die Wut nicht selbst verbieten.